Aus der Perspektive der Sozialwissenschaften ist Altersarmut ein komplexes Phänomen, das sich als Unterversorgung in verschiedenen Lebensbereichen äußert. Armut wird vor allem nach zwei theoretischen Konzepten definiert und gemessen. Diesen liegen unterschiedliche Ansätze zugrunde:
- Ein Ansatz bezieht sich auf die ökonomischen Ressourcen der Menschen.
- Ein weiterer Ansatz bezieht sich auf ihre Lebenslagen, also auf die gesamte Lebenssituation der von Armut betroffenen Menschen.
Der Ressourcenansatz
Der Ressourcenansatz definiert Armut als Unterversorgung mit ökonomischen Mitteln. Diese Dimension von Armut gilt als gesellschaftspolitisch besonders relevant. Denn die Möglichkeiten, die Bedürfnisse in verschiedenen Lebensbereichen zu erfüllen, hängen in hohem Maße von den verfügbaren finanziellen Ressourcen ab. Die Messung von Armut nach dem Ressourcenansatz erfordert eine Festlegung von Armutsgrenzen und Armutsschwellen, die auf das Einkommen bezogen sind. Hierzu werden verschiedene Prozentanteile des Durchschnittseinkommens als Grenzwerte diskutiert.
Die 60-Prozent-Grenze
In der EU hat man sich auf die Verwendung der 60-Prozent-Grenze geeinigt. Wer weniger als 60% des mittleren Pro-Kopf-Einkommens[1]eines Landes zur Verfügung hat, gilt demnach als arm oder armutsgefährdet.
Die nach diesem Konzept ermittelten Quoten des Armutsrisikos variieren allerdings je nachdem,
- wie das Pro-Kopf-Einkommen berechnet wird,
- welche Äquivalenzskala zur Gewichtung des Bedarfs verwendet wird (z.B. alte oder neue OECD-Skala) und
- welche Datenquelle zugrunde gelegt wird.
Armutsgrenze bei Grundsicherung
Einkommensarmut kann auch anhand der Einkommensgrenze beim Bezug von Grundsicherung gemessen werden. Grundsicherung ist „Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII“.
Da es sich bei der Höhe der Grundsicherung um eine politisch festgelegte Größe handelt, ist dieser Weg allerdings fragwürdig. Die Bestimmung des quantitativen Ausmaßes von Armut in Deutschland anhand der Grundsicherungsquote ist umstritten,
- weil davon auszugehen ist, dass nicht alle Leistungsberechtigten ihre Ansprüche geltend machen,
- weil Personen unberücksichtigt bleiben, obwohl ihre reale ökonomische Lage de facto vergleichbar ist. Dies gilt für Personen mit Einkommen genau auf oder kurz über dem Grundsicherungsniveau.
Der Lebenslagenansatz
Der Lebenslagenansatz ist umfassender als der Ressourcenansatz und bezieht die gesamte Lebenssituation der von Altersarmut betroffenen Menschen mit ein. Er versucht, Armut in ihren verschiedenen Dimensionen zu erfassen. Der Ansatz erfasst soziale Beziehungen und gesellschaftliche Teilhabe sowie weitere immaterielle Faktoren. Es geht um die Berücksichtigung von Unterversorgung in zentralen Lebensbereichen wie
- Wohnen
- Gesundheit
- Bildung
- soziale Beziehungen und gesellschaftliche Teilhabe.
Die Messung von Armut nach dem Lebenslagenansatz ist schwierig. Denn um Mindeststandards in den immateriellen Lebensbereichen bestimmen zu können, müssen vorab gültige Normen für entsprechende Lebensbereiche festgelegt werden. Außerdem ist die Datenlage zur Ausstattungs- bzw. Versorgungssituation in den verschiedenen Lebensbereichen teilweise sehr lückenhaft.