Aus der WAZ, 22. Feb­ru­ar 2018: In den ver­gan­genen zwei Jahren seien die älteren Tafel-Nutzerin­nen sowie allein­erziehende Müt­ter offen­bar einem schle­ichen­den Verdrängungspro­zess zum Opfer gefall­en, schildert Sar­tor. So habe der Anteil nicht-deutsch­er Nutzer vor dem starken Flüchtlingszuzug im Jahr 2015 bei 35 Prozent gele­gen. „Darunter viele, die schon seit Jahrzehn­ten hier leben und nur keinen deutschen Pass haben“, sagt Sartor. 

Und so lange die Flüchtlinge noch in städtis­chen Unterkün­fte unterge­bracht waren, seien sie gar nicht bei der Tafel aufge­taucht. „Die waren dort ja ver­sorgt.“ Grundle­gend geän­dert habe sich die Lage, als vor allem das Bleiberecht viel­er Syr­er anerkan­nt wurde und sie Sozialleis­tun­gen erhiel­ten. „Die haben wir aufgenom­men wie alle anderen auch.“ Wer Hartz IV, Wohn­geld oder Grund­sicherung erhalte, werde als Tafel-Kunde aufgenom­men –
sofern ein Platz frei sei … Nach­fra­gen hät­ten ergeben, dass sich ger­ade ältere Nutzerin­nen von der Vielzahl junger, fremd­sprachiger Män­ner an den Aus­gabestellen abgeschreckt gefühlt hät­ten. Nach Sar­tors Ansicht liegt das auch am „man­gel­nden Respekt gegenüber Frauen“ einiger der Män­ner. „Wenn wir mor­gens die Tür aufgeschlossen haben, gab es Geschub­se und Gedrän­gel ohne Rück­sicht auf die Oma in der Schlange.

Bere­its im Dezem­ber 2017 hat­te der Vere­insvor­stand der Essen­er Tafel beschlossen (und auch auf der Web­site der Tafel so veröf­fentlicht), „zurzeit nur Kun­den mit deutschem Per­son­alausweis aufzunehmen“. Umge­set­zt wird das seit Mitte Jan­u­ar – „so lange, bis die Waage wieder aus­geglichen ist“. Aber erst durch den WAZ-Artikel wurde daraus eine nationale Welle. Kein­er kon­nte sich der über­wiegend kri­tisch-empörten Berichter­stat­tung entziehen.

Alles wurde auf den Aspekt fokussiert, dass hier mit der Unter­schei­dung zwis­chen „Deutschen“ und „Nicht-Deutschen“ eine Trennlin­ie gezo­gen wird, die von den meis­ten Kom­men­ta­toren als eine nichtzuläs­sige Dif­feren­zierung der Hil­febedürfti­gen ange­se­hen wird. Zugle­ich wird der Tafel vorge­wor­fen, dass sie mit dieser Entschei­dung den sowieso schon immer stärk­er sich aus­bre­i­t­en­den aus­län­der­feindlichen Stim­mungen einen Unter­bau ver­schafft. Beispiel­haft dafür die Reak­tion ein­er Tafel aus ein­er anderen Ruhrge­bi­etsstadt: Auf­nahmestopp für Nicht-Deutsche? Nicht bei Duis­burgs Tafel: Gün­ter Spikof­s­ki, Geschäfts­führerder Duis­burg­er Tafel, hat nur wenig Ver­ständ­nis für die Entschei­dung der Essen­er Kol­le­gen, er nen­nt sie gar ein „fatales Sig­nal“: „So ger­at­en Nicht-Deutsche unter Generalverdacht.“

Er wehrt sich gegen eine Pauschal­isierung sein­er Kun­den: „Manche benehmen sich grund­sät­zlich daneben. Es gibt schwierige Deutsche und Nicht-Deutsche.“[3]

Ein verkürztes Bild der Wirklichkeit

Wie dem auch sei, die medi­ale Welle hat sich an der Essen­er Tafel fest­ge­bis­sen – und damit wieder ein­mal ein, vor­sichtig for­muliert, sehr verkürztes Bild der Wirk­lichkeit ver­mit­telt. Par­al­lel zu der zitierten Berichter­stat­tung über die Sit­u­a­tion in Essen kon­nte man beispiel­sweise aus Bay­ern[4]lesen: „Hartz IV kon­tra Flüchtlinge – Konkur­ren­zkampf um Lebens­mit­tel?“, so hat Astrid Halder ihren Artikel über­schrieben, dem man ent­nehmen kann:

Zur Tafel Regen kom­men schein­bar viele Deutsche nicht mehr, weil jet­zt Flüchtlinge hier Lebens­mit­tel holen. Auf 30 Asyl­be­wer­berkom­men nur zwei, drei Deutsche, heißt es … Wenige Kilo­me­ter weit­er, bei der Tafel Zwiesel, kom­men weit­er­hin deutsche Bedürftige. Doch dort hat die Leitung die Zahl der Flüchtlings­fam­i­lien auf 15 begren­zt. Mit den Flüchtlin­gen hätte es tat­säch­lich anfangs Prob­leme gegeben, berichtet Tafel-Leit­er Alfred Zell­ner: manche hät­ten nicht warten wollen, wären aggres­siv gewe­sen. Außer­dem seien weib­liche Helfer nicht immer respek­tiert wor­den. Deutsche wer­den hier jet­zt zuerst bedi­ent, um Sozial­neid zu vermeiden.“


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