Armut im Alter
Kinderarmut wirkt deshalb besonders demütigend, erniedrigend und deprimierend, weil davon Betroffene gar nicht erst die Chance eines guten Starts ins Leben erhalten und wahrscheinlich nie in die höheren Etagen der Gesellschaft aufsteigen.
Altersarmut ist deshalb besonders niederschmetternd, weil davon Betroffene um den Lohn für ihre Lebensleistung gebracht werden. Im Alter haben sie in der Regel ja keine Aussicht mehr, ihrer sozialen Misere, z.B. durch Aufnahme einer gut bezahlten Erwerbstätigkeit, zu entkommen. Gemeinsam haben beide Armutsformen, dass sie von den Massenmedien ebenso wie von den politisch Verantwortlichen heruntergespielt werden.
Der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht beruhigt die Öffentlichkeit mit folgender Feststellung: „Die Altersgruppe der Ab-65-Jährigen ist durchschnittlich weniger von Armutsgefährdung betroffen als die Gesamtbevölkerung. Die Armutsrisikoquote und der Anteil der von erheblicher materieller Deprivation Betroffenen im Alter ab 65 Jahren ist deutlich niedriger als in der Gesamtbevölkerung.“
Der Regierungsbericht informiert jedoch nicht gleichzeitig darüber, dass das Armutsrisiko, die Armutsquote und der Bezug von Transferleistungen in keiner Altersgruppe so stark wachsen wie unter den Seniorinnen und Senioren. Seit Einführung der Grundsicherung im Alter am 1. Januar 2003 hat sich die Zahl der auf sie angewiesenen Menschen mehr als verdoppelt. Am 31. Dezember 2016 waren es knapp 526.000 Ältere, die Leistungen auf dem Hartz-IV-Niveau erhielten. Es ist zudem ein offenes Geheimnis, dass sich besonders ältere Menschen damit schwertun, diese Transferleistung – früher hieß sie Fürsorge bzw. Sozialhilfe – zu beantragen. Viele von ihnen sind zu stolz, viele scheuen den bürokratischen Aufwand oder fürchten irrtümlich einen Unterhaltsrückgriff auf ihre Kinder bzw. Enkel. Dieser Unterhaltsrückgriff ist bis zu einem Jahreseinkommen in Höhe von 100.000 Euro ausgeschlossen. Geht man von einer hohen Dunkelziffer aus, liegt die Zahl derjenigen Menschen, die im Alter auf Hartz-IV-Niveau – bundesdurchschnittlich 799 Euro pro Monat – leben, inzwischen deutlich über einer Million.